Im Rahmen meiner Abschlussarbeit in Basel erhielten wir die Aufgabe fünf Wörter für ein Glossar zu erläutern. Die Wahl der Wörter stand mir frei und auch die Form der Erläuterung war nicht vorgegeben.
Alltag (der)
Alltag ist, zu versuchen, am Laptop zu schreiben und sich das Zimmer mit
Partnerin und Baby teilen.
Alltag ist mächtig, denn er ist etabliert und wiederholt sich häufig und spielt eine entscheidende Rolle dabei, ob ich nachhaltig zufrieden bin. Wer in der Lage ist, meinen Alltag zu beeinflussen und Elemente einzubringen, hat demnach großen Einfluss auf mein Glück und Wohlergehen. Den eigenen Alltag zu untersuchen und zu raffinieren, ist für mich deshalb ein Werkzeug zur Selbstermächtigung. Ich versuche, mir im Alltag Brücken zu den Aktivitäten zu bauen, die mich bereichern. Zum Beispiel sind einige Töpfe mit Kräutern vor meinem Küchenfenster eine Erinnerung und (Minimal-)Gelegenheit, täglich Zeit mit Pflanzen und ihrer Pflege zu verbringen.
In gewisser Weise ist der kürzeste Weg zur eigenen Erfüllung, den Tag mit wiederkehrenden bereichernden Ereignissen und Begegnungen zu füllen. Es geht nicht um seichte Wogen und Tage in der Sonne, und das ist auch kein Plädoyer für die neoliberale Maxime: „Wenn jede*r an sich selbst denkt, dann ist an alle gedacht.“ Hier ist mehr der schätzende Blick auf alltägliche Ereignisse gemeint und das Bewusstsein dafür, den eigenen Blick und die
Ereignisse beeinflussen zu können. Abgesehen davon wird der erfüllteste Alltag nicht vom Wissen um gesellschaftliches Ungleichgewicht ablenken können. Eigenes Glück alleine macht nicht glücklich.
Übergang (der)
(Worttrennung: Über·gang, Unkomparativ: Über·gang (meine), Gendertiv: Über·gänger··in; Assoziierte Wörter: Grenze, Nachfolge, Brücke, Ritual, Zyklus, Übergehen) Von einer/m Zeitpunkt, Ort, Zustand, Generation, Seite, Besitzerin eine Veränderung zu einer/m anderen, vollziehen.
Wie wir den Kapitalismus überwinden:
[1]Den Kapitalismus gehörig gegen die Wand fahren [DONE]
[2]Das Leben anders denken und prototypisch (er)leben [DONE]
[3]Den Übergang von den Scherben zum Leben in verdauliche Häppchen unterteilen und bei Google als erste Treffer platzieren [WE’RE FUCKED]
[3]Übergänge gestalten! [PENDING]
[4]Kleine Erfolge mit allen feiern [JUUHUUU]
Übersummativität, (die)
(Synonym: Emergenz; Wiktionary: vom lateinischen Verb emergere „auftauchen, herauskommen, emporsteigen“; Synonyme: unerwartetes Phänomen, .., Transformationsprozess)
„Das Haus ist mehr als die Summe seiner Zimmer!“ Das vielzitierte Sprichwort scheint trivial; was ist aber dieses ‚mehr‘?
Es gibt da Zwischenräume, deren Relevanz sich einem erst eröffnet, wenn man einen Kontext, zum Beispiel das Haus betrachtet. Andere Ebenen entziehen sich aus Gründen der bewusst oder unbewusst eingenommenen Perspektive oder „Brille“. Verschiedene Menschen sehen verschiedene Dinge.
Wie kann ich aber
[1] herausfinden, was ich sehe, durch welche Brille ich betrachte? Ich müsste meine Sicht mit anderen vergleichen, um herauszufinden, wie sich unterscheidet, was wir sehen. Wie unterscheidet sich mein Sehen von dem anderer?
[2] üben, an etwas Gewöhnlichem wie einem Haus Neues zu sehen, vom
„Mäusewanderweg“ bis zum „Knebelmietvertrag“, um mehr zu verstehen und auf dieser reichen Grundlage bessere Entscheidungen zu treffen?
[3] soziale Geflechte sehen, für andere sichtbar machen und einfach beschreiben?
In meinen Augen ist Zusammenleben ein Konvolut von überlagerten Bewegungen, Kontakten, Verständigungen, Biografien, Lebensumständen – divers und teilweise widersprüchlich. Diese Sichtweise ist eine wichtige Grundlage sowohl für meine persönliche Vorstellung von Zusammenleben als auch für die Art, wie man dieses verhandeln sollte.
Nämlich über gemeinsames Verstehen und möglichst vielseitige nächste Schritte.
Kultur (soziale, zwischenmenschliche)
K. (Wegwerfkultur, Willkommenskultur,
Stadionkultur) als die Art, wie Personen sich zwischenmenschlich oder an einem Ort verhalten, entsteht zwischen den beteiligten Menschen. Sie ist nicht zu verwechseln mit einem Missbrauch von Kultur als einem starren, vermeintlich identitätsstiftenden Merkmal (Leitkultur, deutsche Kultur), welches Menschen ein- und ausgrenzt.
Kultur also ist die Chance, sich bewusst zu machen, dass viele Orte und Personengruppen Regeln zu haben scheinen, jede Person aber ein „dezentrales regelgebendes Organ“ ist.
Jeder trägt eine Kultur mit, und wenn wir uns dazu entscheiden, gestalten wir sie auch (vielleicht als Ungehorsam beginnend). Das ist unsere Chance (schon die zweite), unsere Alltagsräume nicht als Herrscher*innen, sondern als Vermittler*innen zu erobern. Um sie uns und anderen als Orte der wahrhaftigen, inspirierenden Begegnung, der Tiefe und der Neugier zurückzugeben.
Würde, (die)
Würde?
„Fehlerhafte“ Menschen, die weggesperrt werden, um bessere Gesellschaftsmitglieder zu werden.
Gut lebende (Europäer), die die Qualität ihres Lebens (über Generationen) „erreicht“ haben und erhalten, indem das Leben anderer ausgenutzt, aufs Spiel gesetzt und gegeben wird?
Menschen, die im Alter vereinsamen, weil sie alleine sind?!
Donald Trump als gewählter Politiker?! […]
Waffenherstellung, die läuft, weil wir Waffen als Wirtschaftsgut betrachten (S O fucking S); warum sollte man auch ein lukratives Unternehmen schließen und Arbeitsplätze „abschießen“?! […]
Die konsequente Achtung von Würde fordert durch ihre Komplexität und individuell unterschiedliche Ausprägung heraus. Möglicherweise ist sie genau deshalb ein guter Richtwert für weltgemeinschaftlichen Erfolg, weil er nur qualitativ und mit viel Sorgfalt herausgefunden werden kann.
Um diese Herausforderung (glaubwürdig) anzugehen, müssen wir (die Gestalter von Zusammenleben) Entscheidungen und Institutionen, die Würde missachten, benennen und stoppen. Eine Umstrukturierung sollte von Vorbildern aus der Praxis lernen die bereits vielfach im kleinen oder an anderen Orten existieren.
Weiterlesen in der digitale Ausgabe des Glossars: https://www.hypermagazine.ch/das-glossar/